Im südöstlichsten Zipfel Deutschlands liegt der Nationalpark Berchtesgaden. Er ist vor allem für den sagenhaften Königssee bekannt, zu dem jährlich bis zu 1,6 Millionen Menschen reisen. Doch abseits des Sees, in den fast gänzlich unberührten Gegenden des Alpen-Nationalparks, erlebt man auf einer Hüttentour Einsamkeit, Natur pur und fantastische Ausblicke.
Tag 1: Von Schönau am Königssee zum Carl-von-Stahl-Haus
Es ist inzwischen Mittag, als unsere 13 Mann und Frauen starke Gruppe endlich vollzählig ist. Es war gar nicht so einfach sich zu finden, denn der großflächige Parkplatz am Königssee ist fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Ich habe schon viel über den Massentourismus am Königssee gehört, doch ein solches Ausmaß hätte ich mir dann doch nicht träumen lassen. Macht nichts, denke ich, denn wir wollen zum 1733 m hoch gelegenen Carl-von-Stahl-Haus aufsteigen und nicht zum Seeufer schlendern.
Von Beginn an ist der Weg steil, aber wenig anspruchsvoll, da er immer entlang eines gut ausgebauten Fahrwegs verläuft. Die erste Pause legen wir nach circa einer Stunde Laufzeit ein. Auf den Bänken sitzend genießen wir den tollen Ausblick auf den Königssee, den wir nun zum ersten Mal zu sehen bekommen. Es ist ein sehr heißer Tag und wird sind froh über die kleine Rast.
Wir machen uns auf den Weg und erreichen nach etwa 45 min die Königsbachalm. Auch wenn der Gastgarten sehr verlockend aussieht, lassen wir ihn im Vorbeigehen links liegen und folgen der sich schlängelnden Straße immer weiter aufwärts. Nach ungefähr 4,5 Stunden Gesamtgehzeit erscheint dann schon das Carl-vom-Stahl-Haus am Horizont. Die aufgestellten Schilder weisen uns darauf hin, dass wir soeben die Grenze zwischen Deutschland und Österreich überschritten haben. Den Abend verbringen wir gemütlich auf der Terrasse mit Blick auf den Schneibstein. Am Horizont thront gut sichtbar der Grimmig.
Tag 2: Vom Carl-von-Stahl-Haus bis zur Wasseralm
Schon am Vortag war abzulesen, dass es am zweiten Tag unserer Wanderung ungemütlich werden würde. Schlechtes Wetter mit Böen, heftigen Schauern und Gewitter ist angesagt. Wir wollen trotzdem versuchen unseren Weg fortzusetzen und stellen unsere Wecker auf 5 Uhr. Um die Uhrzeit soll es eigentlich noch gut aussehen. Unser Plan sieht vor über den Gipfel des Schneibstein und das Hochgeschirr zur Wasseralm zu gelangen. Doch schon beim Aufwachen tobt der Sturm geräuschvoll um die Hütte und es schüttet wie aus Eimern. An Losgehen ist nun erstmal nicht mehr zu denken.
Drei Stunden und ein gemütliches Frühstück später kommen die ersten Sonnenstrahlen durch. Schnell brechen wir auf. Das Wetter scheint es gut mit uns zu meinen. Wir steigen Richtung Schneibsteingipfel auf. Auch andere Wandergruppen starten kurz nach uns. Doch nach circa 45 min, der Gipfel liegt schon verdächtig nah, brechen wir ab und kehren mit eiligen Schritten zur Hütte um. Dunkle Wolken jagen auf uns zu. Kaum ist die Hütte erreicht gehen die ersten Blitze nieder.
An den geplanten Weg ist nun nicht mehr zu denken. Nach langer Diskussion und einer weiteren Mahlzeit im Stahl-Haus entschließen wir uns Plan B in die Tat umzusetzen. Dazu steigen wir zunächst bis auf 1.350 m ab und biegen auf den Weg nahe der Enzian-Brennhütte zur Priesbergalm ab. Unsere bunten Rucksack-Regenhüllen leuchten im Nebel, während wir zwischen den nassen Wiesen über die Priesbergalm bis zum Stiergraben laufen. Im Graben wird der Weg das erste Mal etwas schwieriger. Über rutschige Steine und einige größere Schneefelder folgen wir der Rinne bis zum wunderschön gelegenen Seeleinsee bergauf.
An eine große Pause ist leider nicht zu denken, denn in der Ferne türmen sich schon wieder die ersten Gewitter- und Regenwolken auf. Vor uns liegt nun noch der höchste Punkt unserer Tour: Das Hochgeschirr zwischen Lafeldkopf und Kahlersberg. Über Geröll und Schneefelder erreichen wir dieses nach ungefähr 20 min. Die Berglandschaft um uns ist einfach wunderschön und kein anderer Mensch ist weit und breit zu sehen. Wir halten kurz inne – Vor uns liegt nun ein Abstieg von 750 hm.
Die ersten Höhenmeter der Saurinne überwinden wir rutschend über ein großes Schneefeld. Abgesehen von unseren Schritten sind nur die Pfiffe der Murmeltiere und das Poltern vom gelegentlich abrutschenden Geröll zu hören. Im Waldstück, dass wir erreichen, sieht man das Wesen von wilder Natur im Nationalpark. Überall sprudeln kleine Bäche und kreuz und quer umgestürzte Bäume säumen den Wegesrand.
Circa 1,5h Stunden von unserem Nachtlager entfernt, holen uns starke Regenfälle ein. Nur noch 300 hm den steilen weg hinauf, dann erreichen wir nach 6 Stunden Gehzeit die idyllisch gelegene Wasseralm.
Tag 3: Von der Wasseralm zum Kärlingerhaus
Wir werden unsanft geweckt, als das Hüttenpersonal der Wasseralm 7.15 Uhr unser Zimmer betritt. Obwohl das Bettenlager erst 8 Uhr geräumt sein muss, werden wir aus unseren Betten befördert und sollen zusammenpacken. Wir tun widerwillig was uns geheißen wurde und starten kurze Zeit später Richtung Kärlingerhaus. Die Wanderzeit heute beträgt nur 4,5 Stunden. Wir sollten also schnell am Ziel sein. Während der ersten 2 Kilometer teilen wir uns den Weg mit einer Schulklasse, die wir aber Recht schnell hinter uns lassen.
Leider kommt uns erneut das Wetter in die Quere. Es regnet ununterbrochen. Der eigentlich recht leichte Wanderweg wird zur Konzentrationsaufgabe, als wir über die rutschigen Wurzeln und Steine schlittern. Immer wieder queren wir Schlammhänge und machen unbeabsichtigt nähere Bekanntschaft mit dem nassen Lehmgemisch.
Landschaftliche Highlights bekommen wir nur sehr wenige zu Gesicht, weil die dichten Regenschleier unsere Sicht behindern. Doch wenn wir etwas sehen, dann ist es wirklich wunderschön. Fast dschungelartige Pflanzen und große gelbe Butterblumen säumen den Waldweg. Die erste Rast legen wir beispielsweise am schönen Grünsee ein, der ganz plötzlich vom Nebel freigegeben wird. Vorher konnten wir uns schon am klaren Schwarzsee satt sehen. Bevor wir die Funtenseesattel erreichen wird der Weg noch einmal schwieriger. Gerade die Kleineren von uns haben Probleme die großen Absätze des kurzen Steigs zu überwinden. Der Regen tut sein übrigens.
Die Freude ist groß, als wir das Kärlingerhaus erblicken. Wir freuen uns auf eine warme Dusche und darauf, dass wir die nassen Regenklamotten endlich loswerden können. Doch Fehlanzeige: Die Kläranlage ist noch in der Bauphase. Statt Dusche und WC wartet ein Trog mit kaltem Bergwasser und zwei provisorischen Plumpsklos auf uns. Die ganz Mutigen unter uns entscheiden sich daher kurz entschlossen für den kalten Funtensee – bei Temperaturen von 8°C, kaltem Wind und Regen ist das kein Vergnügen.
Den Nachmittag und Abend vertreiben wir uns mit Kartenspielen im Matratzenlager und beim gemeinsamen Mittagessen und Beisammensein im Selbstversorgerraum der Hütte.
Tag 4: Vom Kärlingerhaus nach St. Bartolomä
Der letzte Tag unserer Wanderung ist angebrochen. Gegen 9 Uhr brechen wir am Kärlingerhaus auf und gehen den Weg vom Vortag bis zur zweiten Abzweigung zurück. Nach St. Bartolomä sind nur 3,75 Stunden angeschrieben. Leider haben wir heute schon wieder einen nebeligen Tag erwischt. Dennoch können wir am Wegesrand ein Murmeltier erkennen, dass sich von uns Menschen nicht stören lässt. Auf den Hinterbeinen stehend checkt es die Lage um sich herum ab, hält sein Tunnelsystem instand und mümmelt genüsslich Gräser.
Von dem höchsten Punkt auf 1750 m, dem Funtensattel, folgen wir die Saugasse bergab. Überall müssen wir über große Schneefelder steigen. Auch einige Kadaver, von Tieren, die von einer Lawine erwischt worden sind, liegen noch halb begraben im Schnee. Der gerade Pfad ändert nun seinen Charakter und wird zu einem Serpentinenweg, der steil abfällt. Plötzlich zieht der Nebel weg und wir sehen auf einmal steile Felswände links und rechts von uns aufragen. Das Echo in dieser Schlucht ist wirklich fantastisch.
Wir verlassen die Schlucht bedauernd und nähern uns auf Waldwegen der Halbinsel Hirschau. Der ruhige Nationalpark verabschiedet uns mit dem rauschenden Schrainbachfall, ehe uns der Lärm des Touristenorts St. Bartolomä samt Wallfahrtskirche und Hafen einholt. Hier sind wirklich Unmengen an Menschen unterwegs. Dementsprechend lang müssen wir auf die Bootsüberfahrt nach Schönau warten. Nach etwa einer Stunde können wir uns endlich einen gemütlichen Sitzplatz im Schiff ergattern. Etwas kaputt von den letzten Tagen befahren wir nun endlich das Naturjuwel, das wir die letzten 4 Tage umrundet, aber nur sehr wenig gesehen haben: Den Königssee.
Wegbeschreibung:
Höhenmeter: ca. 2800 hm
Gehzeit: 18:00 h
Streckenlänge: 40 km
Karte: KOMPASS Wanderkarte Berchtesgadener Land, Königsse, Nationalpark Berchtesgaden (Nr. 794) Wandern, Skitouren, Fahrrad fahren